
Gastbeitrag von
Ing. DI(FH) Gerhard Köppel
Innungsmeister Bau Burgenland
Sehr geehrtes Mitglied,
nach langen und intensiven Verhandlungen wurde die Gewerbeordnungsnovelle am 29.06.2017 im Nationalrat beschlossen. Mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt am 17.07.2017 ist der Gesetzgebungsprozess nunmehr abgeschlossen.
Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass die neue Gewerbeordnung schrittweise bis 01.05.2018 in Kraft tritt. Das heißt, dass einzelne Bestimmungen der neuen Gewerbeordnung sogar schon vor 01.05.2018 in Kraft treten. Die wesentlichen Änderungen des berufsrechtlichen Teils sind unten überblicksartig dargestellt.
Die Landesinnung Bau hat sich bis zum Schluss der Verhandlungen mit voller Kraft im Interesse ihrer Mitglieder gegen eine drohende tiefgreifende Reduktion der Anzahl der reglementierten Gewerbe und gegen einen „einheitlichen freien Gewerbeschein“ für alle freien Gewerbe (ohne klare Zuordnung zu Fachgruppen) eingesetzt. Bisher freie Gewerbe wurden neu reglementiert, indem sie enger an reglementierte Gewerbe herangeführt wurden. Die Tätigkeiten des Aufräumens von Baustellen, der statischen nicht belangreichen Demontage und des Verschließens von Bauwerksfugen sind üblicherweise untrennbar mit Bauausführungen verbunden, die grundsätzlich den Baumeistern (und Holzbau-Meistern) vorbehalten sind. Diese gewerblichen Tätigkeiten werden nun enger an die reglementierten Gewerbe herangeführt, um eine unsachliche Auslagerung unselbstständig Beschäftigter in die Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Das hat zur Folge, dass diese bisher freien Gewerbe künftig nur mit Befähigungsnachweis angemeldet werden können.
Während alle Teilgewerbe gestrichen werden, fällt der Erbau sowie Betonbohren und –schneiden in das Hauptgewerbe Baumeister zurück. Der neue Gewerbewortlaut heißt „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf Erdbau“ bzw. „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf Betonbohren und –schneiden“. Bestehende (freie) Gewerbe Erdbau oder Betonbohren und -schneiden bleiben aufrecht bestehen, sofern der Gewerbetreibende das Gewerbe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens (= 17.10.2017) bereits länger als sechs Monate ausgeübt hat.
Die Ergänzungsarbeiten durften schon bisher in „geringem Umfang“ erbracht werden. Der Umfang der Ergänzungsarbeiten ist nunmehr in § 32 Abs 1 Z 1a GewO ausdrücklich geregelt. Seitens der Landesinnung Bau schon seit jeher vor einer Ausweitung der Nebenrechte als „wirtschaftlich sinnvolle Ergänzung“ gewarnt. Die nunmehrige gesetzliche Ausweitung der Nebenrechte auf 15 % (reglementierte Gewerbe) bzw. 30 % (freie Gewerbe) wurde daher im Begutachtungsverfahren entsprechend heftig kritisiert, weil die Vollziehung/Überprüfung in der Praxis nahezu unmöglich ist. Leider ließ sich der Gesetzgeber von gewichtigen Argumenten nicht überzeugen. Das Ergebnis ist eine Gesetzesbestimmung, die nicht eindeutig ist. Eine Übersicht zu den Nebenrechten ist nachstehend angeführt.
Art des Nebenrecht |
Prozentangabe |
Bemessungsgrundlage |
Freies Gewerbe in freies Gewerbe |
30 |
Jahresumsatz |
Freies Gewerbe in reglementiertes Gewerbe |
15 |
Auftragswert. Keine Addition der 30% vom Jahresumsatz + 15% möglich. Maximal 30% insgesamt! |
Reglementiertes Gewerbe in reglementiertes Gewerbe |
15 |
Auftragswert. Keine Addition der 30% vom Jahresumsatz + 15% möglich. Maximal 30% insgesamt! |
Reglementiertes Gewerbe in freies Gewerbe |
30 |
Jahresumsatz |
Schließlich besteht im Gegensatz zur politischen Diskussion, dass ein „einheitlicher freier Gewerbeschein“ für alle freien Gewerbe eingeführt werden soll, die Liste der freien Gewerbe weiterhin. Will der Unternehmer eines oder mehrere der freien Gewerbe ausüben bzw. überschreitet er die Grenze des jeweiligen Nebenrechts (siehe Übersicht oben), muss dieser Unternehmer das betreffende freie Gewerbe anzeigen. Die eingeführte Gewerbelizenz ist das „Kuvert“, in dem alle Gewerbe, die ausgeübt werden, enthalten sind. Soll ein weiteres Gewerbe ausgeübt werden, ist es anzumelden (reglementiertes Gewerbe) oder anzuzeigen (freies Gewerbe). Eine Gewerbelizenz bekommt nur derjenige, der bisher keine Gewerbeberechtigung hatte. Die bisherigen (alten) Gewerbeberechtigungen bleiben daneben bestehen. In den Vorteil der Anzeige eines zusätzlichen freien Gewerbes kommt nur der Gewerbelizenzinhaber, nicht der Inhaber einer (alten) Gewerbeberechtigung, der muss es nach wie vor anmelden.
Eine Übersicht über die wesentlichen Änderungen haben wir Ihnen nachstehend angeführt. Weitere Informationen zu der Gewerbeordnungsnovelle finden Sie im Internet auf www.gewerbeordnung-neu.at.
Änderung |
Details |
Inkrafttreten |
Kleiner Reitstall – keine Gewerbeanmeldung mehr nötig |
Kleine Reitställe mit max. 25 Einstellpferden werden zur „Landwirtschaft“ und benötigen damit keine Gewerbeberechtigung mehr. |
Ein Tag nach Kundmachung des Gesetzes = 18.07.2017. |
Meisterprüfungen – Details zu Prüfungen und Prüfungskommissionen |
Anpassung der Regelungen an den Nationalen Qualifikationsrahmen, um die Anpassung an die Zuordnung zur Stufe 6 (Stufengleichstellung mit Bachelor) festlegen zu können. |
01.01.2018 |
Nebenrechte |
Festlegung eines einheitlichen Prozentsatzes; es dürfen weiterhin nur Leistungen als Nebenrecht ausgeübt werden, die „im fachlichem Zusammen-hang“ stehen! |
Ein Tag nach Kundmachung des Gesetzes = 18.07.2017. |
Single license (Gewerbelizenz) |
Die Liste freier Gewerbe existiert nach wie vor, der Unternehmer muss eines der 400 freien Gewerbe anmelden. Wird mehr als 30% des Jahresumsatzes in einem anderen freien Gewerbe gemacht, muss dieses ebenso angemeldet werden. |
01.05.2018 |
Änderung Zuordnung reglementierter Gewerbe |
Kürschner und Säckler kommen zu § 94 Z 12 (Kleidermacher, Wäscheerzeugung) Sattler, Riemer, Taschner kommen zu § 94 Z 53 (Orthopädieschuhmacher etc.) |
Ab 3 Monate nach Kundmachung des Gesetzes = 17.10.2017 |
Diese Gewerbe werden frei |
Arbeitsvermittlung und Erzeugung von kosmetischen Artikeln. Damit treten auch die ArbeitsvermittlungsVO, die BefähigungsprüfungsVO und die KosmetikartikelerzeugerVO außer Kraft! |
Ab 3 Monate nach Kundmachung des Gesetzes = 17.10.2017 |
Ausweitung Rechte Beherberungsbetriebe |
Pauschalreisen, Wellnessbehandlungen und weitere Reiseleistungen können im Rahmen der eigenen Gewerbeberechtigung ausgeführt werden. Die Massage muss im eigenen Haus stattfinden und durch Fachkräfte auf Niveau der Massage-Verordnung erfolgen. |
Ein Tag nach Kundmachung des Gesetzes = 18.07.2017 |
Ingenieurbüro – erweiterte Berechtigung |
Ingenieurbüros dürfen im Rahmen ihrer einschlägigen Fachgebiete nun auch Projekte leiten. |
Ein Tag nach Kundmachung des Gesetzes = 18.07.2017 |
Unternehmensberater – erweiterte Berechtigung |
Unternehmensberater dürfen u.a. nun auch Gründungsberatung, Insolvenz-beratung und Vertretung gegenüber Kunden und Lieferanten durchführen |
Ein Tag nach Kundmachung des Gesetzes = 18.07.2017 |
Baumeister und Holzbau-Meister – erweiterte Berechtigung |
Die Bauaufsicht kommt bei diesen Gewerben dazu. |
Ein Tag nach Kundmachung des Gesetzes = 18.07.2017 |
div. freie Gewerbe im Baustellenbereich werden reglementiert – alte Berechtigungen bleiben bestehen |
Aufräumen von Baustellen, Demontage und Verschließen von Bauwerksfugen à Gewerbeberechtigung Baumeister nötig.
Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten à Gewerbeberechtigung Stuckateure nötig.
Abdichter gegen Feuchtigkeit […] à Gewerbe der Wärme,- Kälte-, Schall- und Branddämmer nötig.
Sofern diese Gewerbe bereits ausgeübt wurden, dürfen sie weiterhin ausgeübt werden. |
Ab 3 Monate nach Kundmachung des Gesetzes = 17.10.2017 |
Teilgewerbe werden frei |
Die Teilgewerbe werden frei, Erdbau und Betonbohren und -schneiden fallen aber in das Baugewerbe zurück. Neuer Wortlaut: „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf Erdbau/Betonbohren und -schneiden“. |
Ab 3 Monate nach Kundmachung des Gesetzes = 17.10.2017 |
(GISA) Gebühren fallen |
Stempelgebühren und Verwaltungsabgaben des Bundes fallen, GISA Auskünfte werden unentgeltlich. |
01.05.2018 |
Freundliche Grüße
Ing. DI(FH) Gerhard Köppel
Innungsmeister
Mag. Raphael Kaplan
Innungsgeschäftsführer
Landesinnung Bau
Wirtschaftskammer Burgenland
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